Auch die empirische Trendforschung befasste sich mit der „Neuen Ländlichkeit“. Silke Borgstedt erkannte in ihrer Publikation drei soziokulturelle Strömungen, die die Bewegung überdies bedingen (vgl. Borgstedt 2012: 119). Das sogenannte Re-Grounding beschreibt zunächst die Gegebenheit, dass sich Menschen durch die Vielzahl an komplexen Wahlmöglichkeiten im Alltag zunehmend belastet fühlen und sich ein stabileres und planbares Umfeld wünschen (vgl. ebd.). Bewusst widmet sich der Mensch innerhalb des Prozesses Bereichen, die er selbst gestalten und somit beeinflussen kann (vgl. ebd.: 120). Die organischen und kontinuierlichen Kreisläufe der Natur vermitteln weiterhin die dem Menschen fehlende Stabilität und werden so zu einem neuen Anziehungspunkt (vgl. ebd.). Zugleich wünscht sich der Mensch innerhalb dessen eine Autonomie (vgl. ebd.: 121). Durch freie Handlungsmöglichkeiten können, unbeschränkt von der Bevormundung durch Digitalisierung und gesellschaftlichen Strukturen, eigene Fertigkeiten und Kompetenzen erprobt werden (vgl. ebd.: 122). Sinnlichkeit und Vielfalt kann weiterhin im Hinblick auf die Natur als Gegenreaktion des Menschen auf die zunehmende Rationalisierung und Entfremdung verstanden werden (vgl. ebd.: 123). Alltäglichkeiten sollen unter Einbindung aller Sinne zu „sinnlich-genussvollen Ritualen“ (ebd.) heraufsteigen (vgl. ebd.).

Einer der Hauptgründe einen Kleingarten innerhalb der Bewegung zu pachten, liegt in dem Wunsch nach einem ruhigen Ort in der Natur, der nach eigenen Wünschen geformt werden kann (vgl. Neu 2016: 4; vgl. Borgstedt 2012: 120). Die Bewirtschaftung von Parzellen bietet eine sinnvolle Beschäftigung mit körperlichem Einsatz, der eine geeignete Alternative zum Arbeitsstress und Büroalltag darstellt und daher die Entspannung fördern kann (vgl. Office International du Coin de Terre et des Jardins Familiaux o. J.: o. S.). Parzellen in einer Kleingartenlage bilden weiterhin im Sinne der soziokulturellen Strömung Sinnlichkeit und Vielfalt eine Anregung verschiedener Sinne. Düfte aus dem Kräuterbeet, die Farbvielfalt der Blumen und der Geschmack von frischem Gemüse und Obst ermöglichen eine Abgrenzung von der digitalisierten und hektischen Großstadt und können so für innere Ruhe sorgen. In der Literatur werden des Weiteren auch Zusammenhänge zwischen Orten der Meditation und Gärten beschrieben. Die Pädagogin Ursula Richard gibt an, dass Achtsamkeit, Verankerung im Lebendigen und Verbundenheit Aspekte sind, die sich sowohl innerhalb eines Gartens als auch in einer spirituellen Einrichtung wie einem Yogazentrum wiederfinden lassen (vgl. Richard 2012: 226f.). Demnach kann das Bewirtschaften einer Parzelle als erweiterte Option für spirituelle Menschen angesehen werden.

Die erholende Wirkung eines Gartens auf den Menschen wurde weiterhin in zahlreichen Studien untersucht. Laut einer Befragung schätzen Gärtner demnach ihre Lebensqualität im Vergleich zu Personen, die nicht gärtnern als deutlich höher ein (vgl. Waliczek et al. 2005: 1363). Zudem hat die Bewirtschaftung einen positiven Effekt auf die Gesundheit des Gärtners (vgl. van den Berg/ Custers 2011: 7f.). Bereits der Blick auf grüne Natur kann laut Wissenschaftlern die Genesung des Körpers vorteilhaft beeinflussen (vgl. Ulrich 1984: 421.). Die eigentliche Gartenarbeit in der Natur lässt das Stresshormon Cortisol laut einer Untersuchung merklich sinken und bietet durch die vielseitigen Bewegungsabläufe einen körperlichen Ausgleich (vgl. van den Berg/ Custers 2011: 8; vgl. Office International du Coin de Terre et des Jardins Familiaux o. J.: o. S.). Der Großstädter erhält demnach durch einen Kleingarten eine neue Möglichkeit, einen positiven Einfluss auf seine Gesundheit auszuüben.

Auch für Kinder, die in einer Großstadt aufwachsen, stellt der Schrebergarten eine geeignete Option der Erholung dar (vgl. Meyer-Rebentisch 2010: 64). Während man in Mietwohnungen stets Rücksicht auf die Nachbarn nehmen muss, kann im Kleingartenverein in der Natur herumgetobt werden, was zu einem ausgeglichenem Gemüt führt (vgl. ebd.: 64f.). „Ganz ohne Aufsicht rennen die Kinder durch die Kolonie. Bullerbü für Großstädter.“ (Schaaf 2012: o. S.), gibt eine Mutter in einem Zeitungsbericht an und verdeutlicht damit grundlegende Gedanken der „Neuen Ländlichkeit“. Dieser Umstand kann auch als Motivation vieler Familien betrachtet werden, die in den letzten Jahren eine Parzelle gepachtet haben.

Quelle: https://www.uni-potsdam.de/de/romanistik-kimminich/kif/kif-analysen/schrebergaerten