Die Gesundheit des Menschen ist in vielfältiger Weise direkt wie indirekt von der Funktionsweise intakter Ökosysteme und der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes abhängig. Die weltweiten Diskussionen der vergangenen Jahre zu den Auswirkungen des Klimawandels, der Degradation von Boden- und Wasserressourcen oder dem Rückgang der biologischen Vielfalt zeigen eindrucksvoll die direkten und indirekten Zusammenhänge. Darüber hinaus beherbergt die Natur ein hohes Potenzial an medizinisch wirksamen Rohstoffen. Viele pflanzliche und tierische Naturstoffe sind Grundlage oder natürliches Vorbild für Arznei- und Heilmittel. Neben diesen offensichtlichen ökosystemaren Serviceleistungen spielt die Natur – nicht zuletzt aufgrund der evolutiven Wurzeln und der Sozialisation des Menschen (z. B. Biophilie, Ästhetikempfinden von Landschaften) – auch für das seelische Wohlbefinden des Menschen eine wichtige Rolle. So bieten Natur und Landschaft Raum für Bewegung, Sport, Ruhe, Stressabbau und Entspannung (Hartig et al. 2003, Abraham et al. 2007, Erdmann et al. 2008). Die Sicherung dieser umwelt- als auch gesundheitsrelevanten Funktionen von Landschaften und naturnahen Grünräumen (im Gegensatz zu oftmals stark überprägten Sportanlagen) gewinnt durch die Herausforderungen von Globalisierung und Urbanisierung besondere Priorität. Verstädterungstendenzen und damit einhergehende Veränderungen in den Ansprüchen an Lebensräume stellen sich – global betrachtet – äußerst ungleich dar. Während Länder wie Deutschland in zahlreichen Regionen mit Bevölkerungsschwund und der Gestaltung und Nutzung frei werdender (Grün-)Flächen konfrontiert sind, stellen in anderen Teilen der Welt ausufernde Megastädte die Raumentwicklung vor komplexe Aufgaben. Wenn Landschaft und Natur dem wachsenden Bedarf an Wohnraum weichen müssen, dann bedeutet dies zugleich den Verlust wertvoller natürlicher Umwelt- und Gesundheitsressourcen.

Vor dem Hintergrund veränderter Lebensbedingungen (z. B. Arbeitsbelastung, Stress), der Verbreitung „ungesunder“ Lebensstile (Ernährungs- und Bewegungsverhalten) und den damit assoziierten Erkrankungen (z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus, Depressionen, Übergewicht) sind naturnahe Grünräume zunehmend unverzichtbar (Classen & Hornberg 2008).

Umwelt und Gesundheit ist ein aktueller Schwerpunkt des BMU. Die Umwelt, in der wir leben, wirkt unmittelbar auf den menschlichen Organismus ein. Umweltbelastungen wirken sich negativ auf die Gesundheit aus: Ohne intakte Umwelt keine Gesundheit! Aufgabe des Umweltschutzes ist es, vorhandene Umweltbelastungen zu reduzieren und Risiken rechtzeitig zu erkennen, so dass neue Umweltbelastungen nach Möglichkeit erst gar nicht entstehen. Vorbeugen ist besser als Heilen – das gilt für den Umweltschutz genau so wie für die gesundheitliche Prävention. Dem Schutz der Natur kommt hierbei eine entscheidende Bedeutung zu. Eine intakte Natur mit einem leistungs- und funktionsfähigen Naturhaushalt ist für unsere Gesundheit unverzichtbar. Dieser Zusammenhang wird auch in dem Gesetzentwurf zur Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes,2 betont. Demnach sind Natur und Landschaft nicht nur auf Grund ihres eigenen Wertes, sondern auch als Grundlage für Leben und Gesundheit des Menschen zu schützen.

Im Hinblick auf den Klimawandel und die mit ihm verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit infolge von Wetterextremen ist die Sicherung und Entwicklung von intakten Ökosystemen von großer Bedeutung. Die Erhaltung der genetischen Vielfalt der Arten erhöht deren Anpassungsfähigkeit an klimatische Veränderungen. Sie ist eine wichtige Vorsorgemaßnahme zur Gewährleistung der Stabilität von Ökosystemen. Wälder und Moore sind zudem bedeutende CO2-Speicher.Der Erholungswert von Natur und Landschaft für die Förderung des psychischen Wohlbefindens ist seit langem bekannt. Natur und Landschaft bilden auch eine attraktive Kulisse sowie in vielen Fällen erst die Voraussetzung für gesundheitsfördernde Aktivitäten wie Spazierengehen, Nordic-Walking, Wandern, Radfahren, Schwimmen oder Kanufahren. Aufgabe des Naturschutzes ist es, Naturräume für Bewegung und natur- und landschaftsverträglichen Sport sowie Ruhe und Entspannung in der Natur zu sichern. Damit leistet der Naturschutz angesichts der zunehmenden Probleme von Stress, Bewegungsmangel und Übergewicht in unserer Gesellschaft einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsförderung und zur Gesundheitsprävention.

Imke Thieme (Bundesministerium für Gesundheit): „Jeder Mensch hat Anspruch auf eine Umwelt, die ein höchstmögliches Maß an Gesundheit und Wohlbefinden ermöglicht“. Dazu haben sich bereits 1989 die Gesundheits- und Umweltminister und -ministerinnen anlässlich der ersten WHO-Europakonferenz in Frankfurt bekannt.

Empirische Studien zeigen beispielsweise, dass sowohl die Betrachtung von Natur als auch der Aufenthalt im Grünen einen positiven Einfluss auf das physische, psychische und soziale Wohlbefinden haben sowie die kindliche Entwicklung fördern (vgl. Abraham et al. 2007).

Insbesondere für Kinder ist das Naturerleben für ihre physische, psychische und soziale Entwicklung von großer Bedeutung. Die Wirkung ist vielfältig und reicht über Spiel- und Bewegungsgestaltung, Verbesserung der Motorik, Stressreduktion, Konzentrationsverbesserung bis hin zu sozialen Kontakten

In jüngster Zeit wird auch die Wirkung von Natur auf ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitäts-störung) untersucht. Die Verhaltensforscherinnen Andrea Faber Taylor und Frances Kuo von der Universität Illinois fanden aktuell heraus: Schon ein 20-minütiger Spaziergang durch den Park beruhigt Kinder mit der Aufmerksamkeitsstörung ADHS und verbessert ihre Konzentration. Ein Bummel durch die Häuserzeilen eines Wohngebietes hilft dagegen nicht. Die Studie gibt erste Hinweise, dass ADHS-Kinder, die sich regelmäßig im Grünen aufhalten, generell weniger stark ausgeprägte Symptome haben, als solche, die selten in die freie Natur kommen (Faber Taylor & Kuo 2008).

Quelle: https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/sportundtourismus/Dokumente/KonfDokNaturGesundheit_2010.pdf